Vorbemerkung
Geographie
Geschichte
die Anfänge
der Schafhof
das Dorf
das 19. Jahrhundert
ein besonderes Gewerbe
das 20. Jahrhundert
die 50er Jahre
Namen
Sprache
Zahlen
Hannikel
Kontakt
Impressum&Quellen
Gästebuch
 


Das Dorf Lützenhardt

Die Wandlung des Schafhofs zu Lützenhardt zu einem Dorf bahnt sich an, als im Jahre 1741 Karl Heinrich von Schlaitheim Lehensherr des Hofes wird. Das ist an sich nichts Neues, doch der neue Lehensherr gerät um diese Zeit in finanzielle Schwierigkeiten und muss den Hof 1750 wieder verkaufen. Käufer ist Johann Freiherr von Raßler auf Weitenburg, der auch Grundherr von Bittelbronn, Bieringen, Börstingen und Sulzau ist. Diesem erscheint jedoch offenbar der Hof zu Lützenhardt nicht rentabel, so dass er ihn bald darauf freigibt für die Ansiedlung. Vielleicht verspricht er sich davon höhere Einkünfte als allein aus der Schafhaltung.

Ansiedlung 1750

Die Beschreibung des Oberamts Horb aus dem Jahre 1865 berichtet darüber mit folgenden knappen Worten: "Die neue Herrschaft begünstigte die Ansiedlung, so dass in rascher Zunahme eine Kolonie von Korbflechtern, Bürsten- und Besenbindern, Zunder- und Feuersteinhändlern anwuchs. In Folge hiervon und weil der Lehenhof nicht viel abwarf, wurde derselbe 1785 von dem Freiherrn von Raßler an die Einwohner zu gleichen Theilen vertheilt und gegen jährliche bestimmte Abgabe als Erbpacht überlassen."

Nach diesem Bericht müsste man annehmen, dass die Ansiedler ausschließlich "Korbflechter, Bürsten- und Besenbinder, Zunder- und Feuersteinhändler" waren. Es könnte aber auch anders gewesen sein. Zwar sind Einwohnerlisten aus den ersten Jahren nach der Freigabe des Hofes zur Ansiedlung 1750 nicht zu finden. Die früheste namentliche Aufstellung von Lützenhardter Bürgern umfasst 35 Namen und ist eine Zinsliste für das v. Raßler'sche Rentamt aus dem Jahre 1800. Doch 12 von den darin aufgeführten Familiennamen kommen bereits zwischen 1660 und 1750 in den Kirchenbüchern von Salzstetten vor, in denen ja auch die Namen aus Lützenhardt festgehalten sind, denn Lützenhardt war noch bis 1820 nach Salzstetten eingepfarrt. Die Träger dieser Namen, die damit seit 1800 als Lützenhardter Bürger beurkundet sind, waren also bestimmt keine Ansiedler aus der Ferne, sondern vermutlich Bauern- oder Handwerkersöhne aus Salzstetten, die dort zu wenig Land besaßen, um davon leben zu können, und die deshalb das Angebot zur Ansiedlung gerne annahmen und irgendwann zwischen 1750 und 1800 dort hingezogen sind. Es handelt sich um die Träger der Familiennamen Kaupp, Oth (Ott), Miller (Müller), Fischer, Schmid, Rupp, Immer, Weber, Geiger, Blum, Pfeiffer und Brandecker.

Wir finden aber auch in den Kirchenbüchern von Salzstetten aus der Zeit von 1660 bis 1750, also noch vor der Möglichkeit zur Ansiedlung in Lützenhardt, noch folgende weitere Familiennamen, die seit 1800 als Zunamen von Lützenhardter Bürgern bekannt sind: Bach, Maier, König, Harr, Lutz, Steinle, Kurz, Dußle, Klink, Pfaus und Hirth. Auch die Träger dieser Namen sind demnach irgendwann zwischen 1750 und 1800 von Salzstetten nach Lützenhardt umgezogen. Alle weiteren später in Lützenhardt beheimateten Familiennamen, die in der Zeit von 1750 bis 1800 in den Kirchenbüchern von Salzstetten erscheinen, konnten damals ebenso in Salzstetten wie in Lützenhardt beheimatet gewesen sein, denn in den Kirchenbüchern ist nicht vermerkt, ob die Namensträger in Salzstetten oder in Lützenhardt wohnten.

Nach 1750 erscheinen jedoch in den Büchern eine Reihe neuer Namen, die es in den 90 Jahren davor in Salzstetten noch nicht gegeben hatte, wie beispielsweise Denner, Zudrell, Groß, Flick, Abenzeller (Appenzeller), Stirzer (Sterzer, Störzer), Schweizer, Sperle (Gsperle), Wild, Wittich, Berhaupt, Schmitz oder Axt. Man kann also mit ziemlicher Sicherheit annehmen, dass dies die Namen der ersten Ansiedler waren, die zwischen 1750 und 1800 aus der Ferne nach Lützenhardt gekommen sind. Es waren wohl Flüchtlinge und Heimatlose, die durch die Kriegswirren des 17. und 18. Jahrhunderts Haus, Hof und Arbeitsplatz verloren hatten und nun in kleineren Gruppen oder auch in ganzen Banden in ganz Mitteleuropa umherzogen. Dazu gehörten auch entlassene Soldaten, die der Friede brotlos gemacht hatte und die nun nicht mehr in ein geordnetes Arbeitsleben zurückfinden konnten, "Bettler und Vaganten, es seien Christen oder Juden, Deserteurs und abgedankte Soldaten, Hausierer oder solche Leute, welche zum Verkauf allerhand geringe Sachen herumtragen und unter diesem Vorwand eigentlich betteln so heißt es in einer Verordnung des Schwäbischen Kreises aus dem Jahre 1742, die sich gegen das wachsende Bandenunwesen richtet.

Freilich gehörten nicht alle dieser "Fahrenden" solchen Banden an, sicher versuchten viele von ihnen auch etwas Brauchbares herzustellen, das von den Bauern gern abgekauft wurde, vor allein eben Bürsten, Besen, Körbe oder dergleichen. Sicher wären auch viele von ihnen froh gewesen, irgendwo wieder Fuß fassen zu können, doch da die Not damals in Stadt und Land überall gleich groß war, sah man sie als zusätzliche Mitbürger nicht gern. Wo diese unglücklichen Heimatvertriebenen einmal zu Hause gewesen waren, vielleicht in Tirol, Kärnten oder Steiermark, in Böhmen, Bayern, in der Schweiz oder im Elsass, das lässt sich heute nicht mit Sicherheit sagen.

Zigeuner - Jenische

Zigeuner waren sicher auch dabei, doch bildeten sie in der großen Menge des fahrenden Volkes nur eine kleine Minderheit mit eigener Sprache, eigenem Brauchtum und eigener Tradition. Der Ursprung dieses Wandervolkes lag einst in Indien, wo sie auch schon Nomaden gewesen waren. Aus Vorderasien waren sie dann im 13. Jahrhundert durch den Mongolensturm vertrieben und in alle Winde versprengt worden. Im 14. Jahrhundert tauchten sie erstmals in Deutschland auf als "bemische Lute", so benannt, weil sie von Böhmen her kamen. In den gefährlich anwachsenden Nachkriegsbanden des 18. Jahrhunderts, die schließlich alle unter zigeunerischen Namen liefen, waren die Zigeuner vom sonstigen fahrenden Volk kaum mehr zu unterscheiden. Sie selbst nannten sich "Manische", während sie ihre Konkurrenz als "Jenische" bezeichneten. Die Geheim-"sprache" der Jenischen, das Jenisch, war im Gegensatz zur eigenen Sprache der Zigeuner eigentlich keine selbständige Sprache, sondern eine Variante des Rotwelsch, der in ganz Europa verbreiteten Sprache der "Jauner". Jenisch wurde auch voll (teil Lützenhardter Hausierern auf der Reise gebraucht ist auch heute noch nicht ganz vergessen in Lützenhardt. Wohl die einzige Familie in Lützenhardt die von Zigeunern abstammte, dürfte die Familie Reinhard gewesen "ein. Die Reinhards waren und sind noch heule eine weit verbreitete Zigeunersippe, zu der auch der berühmte Zigeunerhauptmann Hannikel gehört hat, der Anführer einer Räuberbande, die um die Mitte des 18. Jahrhunderts das Oberrheingebiet terrorisierte. Sein bürgerlicher Name war Johannes Nikolaus Reinhard, aber auch er war nur von Vaters Seite her ein Zigeuner. Hannickel soll sich öfters in Lützenhardt aufgehalten haben, wo bis in die neuere Zeit Nachkommen dieses Stammes lebten. In Protokollen der Ortsarmenbehörde von Lützenhardt von 1877 ist die Rede vom "Zigeuner Franz Reinhard". Diese besondere Kennzeichnung findet sich sonst bei keinem Namen.

Solche Heimatlosen können nun von 1750 ab in Lützenhardt sesshaft werden, doch die Existenzgrundlagen sind dort all Ort und Stelle minimal. Die kleine Gemeinde mit ihren 91 ha, von denen mir 51 ha Wiesen- und Ackerflächen sind und das übrige Staatswald, reicht mir für ganz wenige kleinbäuerliche Existenzen ans. Zudem wird die Schafhaltung erst 1785 aufgegeben und von da ab das Land in Erbpacht an die Einwohner vergeben. Der örtliche Bedarf' für Handwerker ist zunächst auch nur gering, und die Nachbargemeinden haben ihre eigenen Handwerker. Die Möglichkeit, vom Wohnort aus als "Pendler" irgendwo Arbeit zu finden, besteht auch noch nicht. Wovon also sollen die Neusiedler in Lützenhardt leben'? Daran hat man bei dem Angebot, in Lützenhardt sesshaft zu werden, damals offensichtlich nicht gedacht. Der notwendige Prozess der Einpassung und Anpassung muss für die Neusiedler unendlich schwierig gewesen sein, Die Einpassung in die bäuerliche Umwelt des abgelegenen Waldachtals, das Zurechtfinden in der Enge des immer dichter bewohnten Dorfes auf' zu kleiner Gemarkung, die Anerkennung einer örtlichen Autorität etwa in der Person des Schultheißen oder des Pfarrers - dieser Prozess hat etwa 6 Generationen lang gedauert,

Die Nachbargemeinden beobachten die Entwicklung der Dinge in Lützenhardt mit Misstrauen, was durchaus verständlich ist. Als sie erfahren, dass sich 1784 in Lützenhardt ein berüchtigter und "ausgeschriebener" Jauner, der Keßler-Sepp, aufhält, wittern sie Gefahr für ihre Sicherheit und melden es dem wirtembergischen Vogt in Dornstetten, dessen höherer Gerichtsbarkeit auch Lützenhardt untersteht, obwohl es vorderösterreichisch ist.

"Überfall" auf Lützenhardt 1784

Daraufhin rückt eine sogenannte Streifenmannschaft aus nach Lützenhardt und nimmt den Keßler-Sepp fest. Als diese Truppe dann aber auch noch in andere Häuser eindringt und nach weiteren Jaunern sucht, protestieren die Lützenhardter und melden diesen "Überfall ihrem Lehensherrn. Derartige Aktionen sind später nicht wieder unternommen worden.

Revolution 1789


Nachdem die Kriegswirren in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts allmählich aufgehört haben, beginnen sich die Verhältnisse in Südwestdeutschland wieder zu normalisieren, doch mit dem Ausbruch der französischen Revolution voll 1789 wird es wieder unruhig. Wirtemberg, das sich Österreich angeschlossen hat, gerät in den Strudel der Koalitionskriege der europäischen Mächte gegen die Ausdenungsbestrebungen der neuen französischen Republik, die von 1792 bis 1809 dauern, und wird das Opfer eines Einfalls der französischen Revolutionsarmee. Diese überrennt die gegnerische Abwehr auf dem Kniebis-Paß, schlägt die österreichischen Truppen am Dobel bei Herrenalb und dringt bis nach Cannstatt vor. Die weiteren Kriegsereignisse spielen sich darin aber hauptsächlich in Oberschwaben ab und werden 1801 durch den Frieden von Luneville beendet. Schwarzwald und (Matt sind also diesmal verhältnismäßig glimpflich davongekommen.

Endgültig schließt darin Kaiser Franz mit Napoleon den Frieden von Preßburg im Jahre 1805. Das alte Deutsche Reich wird aufgelöst, die von Napoleon abhängigen Gebietsteile werden völlig neu geordnet und abgegrenzt. Wirtemberg bekommt dabei eine große Zahl eingestreuter anderweitiger Herrschaftsgebiete zugeteilt, die damit ihre Reichsunmittelbarkeit verlieren. So kommt mit den bis dahin vorderösterreichischen Gebieten auch die Grafschaft Hohenberg mit Rottenburg und Horb zu Wirtemberg, und damit wird auch Lützenhardt wirtembergisch.

Top